Nächtliche Kollisionen mit Mährobotern stellen für Igel ein erhebliches Tierschutz- und Naturschutzproblem dar, da diese häufig schwere oder sogar tödliche Verletzungen erleiden. Um den Betrieb von Mährobotern igelsicher zu machen, entwickeln das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW), das auf Crashtests spezialisierte Unternehmen CTS und das Computermagazin c’t spezielle Igel-Dummies und standardisierte Tests zur Vorbeugung tödliche Kollisionen. Auf zwei Tagungen des Leibniz-IZW vom 16. bis 19. Januar 2025 in Berlin diskutieren nationale und internationale Experten über die neuesten Entwicklungen in diesem Projekt und viele weitere Themen rund um Igelforschung, Tierschutz und Naturschutz.
Im Oktober 2024 führten Leibniz-IZW, CTS und c’t Tests an Prototypen von Igelpuppen durch, um deren Ähnlichkeit mit echten Igeln zu beurteilen. Diese Dummys sollen für das menschliche Auge nicht unbedingt wie echte Igel aussehen, sich aber bei Annäherung und Kollision eines Mähroboters identisch „verhalten“, damit realitätsnahe und standardisierte Sicherheitstests für die Mäher durchgeführt werden können. In der Testreihe verglich das Team einen von CTS entwickelten Prototyp mit echten, bereits verstorbenen Igeln, die am Leibniz-IZW gesammelt wurden. Die Schnuller haben ein 3D-gedrucktes Innenskelett, können auf die Körpertemperatur eines Igels erhitzt werden, haben unterschiedliche Größen und Formen (lockig und ungelockt) und ähneln in Aussehen, Gewichts-zu-Größen-Verhältnis, Mobilität und Flexibilität möglichst genau Igeln – Damit können sie künftig bei Tests an allen Mähroboter-Modellen unabhängig von deren Objekterkennungssensorik (Laser, Ultraschall, optisch, Wärmebild oder Kontakte im Stoßfänger) eingesetzt werden, um zu beurteilen, inwieweit diese Modelle erkennen können Igel. Insbesondere bei der mechanischen Erkennung mit Aufprallsensoren sind präzises Design, richtiges Gewicht und Stabilität unerlässlich. Neben der Prüfung der Igelerkennung wurden auch die Verletzungen der Igelkadaver und der Dummies bei identischen (erzwungenen) Mähroboter-Unfällen analysiert.
„Die Tests ergaben eine große Ähnlichkeit zwischen den Verletzungen der Igelkadaver und der Attrappen bei den erzwungenen Zusammenstößen“, sagt Igelexpertin Dr. Anne Berger vom Leibniz-IZW. „Allerdings sind die Dummies im Vergleich zu echten Igeln noch etwas zu schwer und unflexibel und werden in den kommenden Monaten noch einige Verbesserungen erfahren. Das Team wird im Frühjahr 2025 noch einmal abschließende Tests durchführen und die Dummies finalisieren.“ Berger und ihre Kollegen von CTS und c’t streben die Einführung einer SI-DIN-Norm in Deutschland an, die standardisierte Crashtests für Mähroboter mit diesen Dummies für alle Marken und Modelle auf dem Markt verpflichtend machen würde. Die Tests sollen zeigen, inwieweit jedes Mähroboter-Modell in der Lage ist, Igel zuverlässig zu erkennen und Ausweichmanöver oder Notbremsungen einzuleiten.
Berger und ihre Kollegen haben in der Vergangenheit umfangreiche empirische Untersuchungen zu Igelschnitten durch Rasenmähroboter durchgeführt. Sie analysierten beispielsweise bundesweit 370 Fälle von Schnittverletzungen und stellten fest, dass sich deren Auftreten gleichmäßig über die Wochentage verteilte. „Das ist ein klarer Hinweis darauf, dass Rasenmäherroboter häufig die Ursache für diese Verletzungen sind, da diese Geräte die einzigen sind, die an einem Sonntag legal eingesetzt werden dürfen“, sagt Berger. Fast die Hälfte der gefundenen und gemeldeten Tiere (47 %) überlebte die Verletzung nicht. Auch Igelauffangstationen berichten von einem stetigen Anstieg der Fälle verletzter Igel, was auf ein wachsendes Schutzproblem vor dem Hintergrund rückläufiger Igelpopulationen in Deutschland hinweist. „Wir vermuten außerdem, dass viele Fälle von verletzten oder verstorbenen Igeln gar nicht erst gefunden oder gemeldet werden“, sagt Berger.
Da Igel mit den Verletzungen, die sie erleiden, mitunter über einen längeren Zeitraum leben müssen und solches Tierleid gesetzlich verboten ist – sofern es Alternativen gibt, die nicht das gleiche Maß an Schmerzen oder Schäden verursachen – arbeiten Wissenschaftler wie Berger daran mit Partnern in Deutschland und anderswo, solche Alternativen zu entwickeln. Eine davon sind Mähroboter, die in standardisierten Tests nachweisen können und müssen, dass sie Igel zuverlässig erkennen und ihnen ausweichen können.
Es gebe aber auch andere erfolgsversprechende und noch schnellere Möglichkeiten, den Igelschutz zu verbessern, sagt Berger. Ein Verbot des nächtlichen Einsatzes von Mährobotern, wie es einige Kommunen in Deutschland bereits umgesetzt haben, würde die Gefahr für Igel deutlich verringern. Für Igel ist der unbeaufsichtigte Betrieb in der Nacht besonders gefährlich, da sie nachtaktiv sind und vor Gefahren nicht davonlaufen, sondern stationär und möglichst ruhig bleiben. Werden sie von den Robotern überfahren und verletzt, suchen sie – sofern sie noch können – stillschweigend den Schutz von Hecken und Büschen, um nicht die Aufmerksamkeit von Raubtieren auf sich zu ziehen, für die sie dann eine leichte Beute wären. Leider können bereits kleine Schnittwunden später zu schweren Entzündungen oder zur Ablage von Fliegeneiern in den Wunden und damit unbehandelt zum Tod führen.
Ab 16. JanuarTh bis 19Th2025 treffen sich nationale und internationale Igelexperten auf Einladung des Leibniz-IZW zu zwei Konferenzen in Berlin. Beim „10. Treffen der European Hedgehog Research Group“ am 16. und 17. Januar geht es um neue Forschungsperspektiven zum Igel, beispielsweise zu Genetik, Krankheiten und Parasiten, aber auch zu Risiken, Populationsentwicklung und -schutz. Anschließend findet am 18. und 19. Januar die „2. Austausch- und Weiterbildungs-Veranstaltung für Igel- und Wildtierpflegestationen“ statt, ein Austausch- und Fortbildungstreffen für deutsche Igel- und Wildtierpflegestationen, bei dem aktuelle praktische Probleme der Igel- und Wildtierpflegestationen behandelt werden Weitere Wildtiere werden besprochen und wissenschaftliche Informationen bereitgestellt. Das Treffen dient auch dazu, die verschiedenen Igel- und Wildrettungszentren im deutschsprachigen Raum besser zu vernetzen und so die Wirkung der einzelnen Zentren zum Schutz der Tiere zu steigern.
Die neuesten Erkenntnisse aus den Dummy-Crashtests von Leibniz-IZW, CTS und c’t werden auf den Konferenzen der Community vorgestellt und mit den anwesenden Experten diskutiert. Beim nächsten Treffen der Igel-Community aus Deutschland und Europa könnten DIN-zertifizierte Sicherheitsprüfungen bereits Thema der Sitzungen sein.